17.12.07

Nico II

Gestern Mittag war es soweit, mir wurde ziemlich schnell nach meinem Einloggen in unsere SMS-Software Nico zugeteilt.
Mit einem kurzen Blick in die History konnte ich sehen, dass er in den letzten Wochen fast täglich mit uns geschrieben hatte und das immer nach dem Muster, dass er in seiner Phantasie nette und äußerst niveauvolle Abende mit der entsprechenden (auch wechselnden) Partnerin verbrachte.

Mal fuhren sie zusammen nach Hamburg mit anschließender Alster-Rundfahrt, dann stand ein Musical-Besuch auf dem Programm. Und sogar einen Karibik-Urlaub inklusive Fahrt zum Flughafen, Check-In, Übelkeit und Sonnenbrand hatte Nico zuletzt fleißig SMS schreibend erlebt...

Solche Kunden sind natürlich wirklich dankbar. Man kann sich als Profi-SMS-Schreiber nahezu sicher sein, dass er wieder antworten wird (und nur an solchen SMS verdienen wir) und auch der persönliche Schnitt wird denkbar einfach angehoben. Außerdem ist es auch mal was Anderes, als immerfort nur zu schreiben wie feucht und geil man gerade sei.
Aber irgendwann wird es auch anstrengend.

Nico legt immensen Wert auf Etikette und guten Ausdruck. Und er hat einen äußerst exklusiven Geschmack und detaillierte Vorstellungen. Bisher hat er auf der Line fast 4000 SMS geschrieben. Kein einziges Treffen ist im Profil vermerkt.

Als ich ihn dann am Samstag zugeteilt bekam, hatte mein Kollege ihn gerade gefragt, aus welchem Stoff und in welcher Farbe mein Blazer sein solle. Eher kaminrot oder doch anthrazit. Ihn begeisterte dieses Thema sichtlich, ich aber fand es zum Einschlafen langweilig.

Aber ich hatte mir ja etwas vorgenommen. Wie würde Nico wohl reagieren, wenn ich ihm ein wenig näher auf die Pelle rückte?
Nach etwa einer Stunde war es endlich so weit... Er hatte mich wunderschön bei Kerzenlicht zum Essen eingeladen und ich genoß seine Kochkunst in vollen Zügen. Erst sein Bruschetta, dann ein wundervolles Carpaccio nebst Salat und gleich sollte noch sein Überraschungsdessert serviert werden, da passierte mir ein kleines Missgeschick:
Bin ich doch tatsächlich so ungeschickt und stoße den mein Glas Weißwein um. Und der arme Nico ganz nass...

Hilft nichts, Nico muss sich ein neues Hemd holen und eilt schnell zu seinem begehbaren Kleiderschrank.

Doch plötzlich stehe ich vor ihm, gebe ihm einen leidenschaftlichen Kuss und ziehe ihm sein Hemd aus. Meine Finger streicheln über seine Brust...

Seine Antwort war dann aber umso deutlicher:
Ich gebe erwidere deinen Kuss. Dann ziehe ich mir ein reines Hemd an und gehe mit dir in den Salon. Das Dessert würde sonst kalt.

Das Dessert war ganz ausgezeichnet.

10.12.07

zu mir oder zu dir?

Aus den Kommentaren von "Allein in Zimmer 116":

mhh also bei "uns" stellen wir den Kunden keine Realdates in Aussicht, da Kunde ja sonst net mehr schreibt, aber ihn so zu verarschen is bischen blöd. Dürfen "wir" auch gar net machen....
Die Frage ist ein ziemlich heißes Eisen. Offiziell ist es (durch die AGB) jedem Kunden bekannt, dass die Antwort von einem Chat-Animateur stammen "kann". Realistisch betrachtet würde wohl die Nachfrage gegen Null gehen, wenn diese Praxis den Kunden tatsächlich bewusst wäre.

Dennoch: Solange der Kunde seinen Spaß hat und den gesuchten Kitzel auch bekommt, kann man zumindest mit ein paar gedanklichen Umwegen noch ein ehrliches Geschäft konstruieren: Der Kunde ist zufrieden und eventuell auch sexuell befriedigt. Ist es nicht das, was zählt?

Ich finde, so einfach ist es nicht. Wir sind Profis. Wir benutzen alle erdenklichen Taktiken, um den Kunden immer und immer wieder zum Antworten zu verleiten. Und wenn er es nicht mehr tut weil es ihm zu teuer wird, sind wir beleidigt und machen ihm ein schlechtes Gewissen.

Die allerletzte vertretbare Moralgrenze wird spätestens aber bei Verabredungen zu Realdates überschritten. Dann verplant der Kunde seinen Abend, fährt unter Umständen recht weit zum Treffpunkt, bezahlt das Hotelzimmer...

Und ja, "Wir" verabreden uns mit dem Kunden. Moralisch kann ich das wohl nicht rechtfertigen. Darum drücke ich mich auch um diesen inneren Konflikt und rede mir ein, der Kunde sei schließlich erwachsen und für sein Handeln selber verantwortlich. Wenn ein Kunde wie Ewald sich mit mir verabredet, um mit mir seine Frau zu betrügen, dann ist mir das recht egal. Den kleinen Belgien-Ausflug gönne ich ihm von Herzen. Aber in vielen anderen Fällen sind es einfach arme Gestalten, deren Naivität wir ausnutzen.

Und dennoch, ich gebe es zu: Die Treffen sind die spannendsten Momente. Dann sitze ich hier mit wenigen ergoogelten Kenntnissen über den Treffpunkt und versuche den Kunden immer weiter zum Zurückschreiben zu animieren.

Und da muss ich dem anonymen Kommentator vom Beginn dieses Blogeintrages auch widersprechen. Kunden, die mit einem Blumenstrauß und der Aussicht auf heißen Sex irgendwo an einer Seitentraße auf einen warten, bringen definitiv die beste Rücklauf-Antwortquote.

Hier ein kleiner Auszug aus einer meiner "Verabredungen" von heute Abend:

"wo bist du? ich warte hier wie besprochen am bahnhof"

"ich bin gleich da. noch ganz kurz. freue mich schon auf dich. was hast du für eine jacke an?"

"eine schwarze jacke. Ich hoffe du bist gleich da"

"ja bin ich. in wenigen minuten. bei dem wetter gehen wir gleich ins bett ja? ist das hotel reserviert?"

"natürlich, wie wir besprochen haben. wo bleibst du denn?"

"man bist du ungeduldig süßer ich komm doch gleich. du stehst doch noch am bahnhof?"


So ging es ungelogen weit über eine Stunde. Und das heißt weit über 30 SMS von ihm. Der Kunde fragte immer wieder nach und sobald er ein wenig misstrauisch fragte ob ich denn jetzt käme reagierte ich beleidigt und er wurde gleich wieder handzahm.

Ja - irgendwann hat es ihm gereicht und er meinte dass er jetzt nach Hause fährt. Danach war das Gespräch vorbei. Würden wir aber den Kunden keine Realdates in Aussicht stellen, würden die meisten Kunden bald das Interesse an der Partnerin verlieren. Unzählige verschenkte SMS...

Und ich bin mir sicher, morgen Abend wird er im Chat wieder auftauchen und seiner neuen Bekanntschaft erzählen, wie die blöde Kuh ihn gestern Abend versetzt hat...

06.12.07

Ich, der Doppelagent

Der Anbieter, für den ich derzeit arbeite, hat in den Stoßzeiten meist einen recht guten Traffic. Aber mitten am Tage kommen nur vereinzelt SMS rein. Ich bin ja auch bei weitem nicht der einzige, der für diese Firma arbeitet .

Meistens surfe ich nebenher auf anderen Seiten, telefoniere, mache einen Hausputz oder frühstücke gemütlich. Dass ich nebenbei immer mal wieder für ein paar Sekunden völlig emotionslos und gelangweilt heiße Sexphantasien in die Tasten tippe, fällt mir selber fast gar nicht mehr auf. Meist schreib ich einfach, ohne dabei darüber nachzudenken, was die 160 Zeichen tatsächlich bedeuten.
Diese innere Distanz ist mir auch bei den wenigen weiblichen SMS-Kunden sehr wichtig. Schließlich habe ich eine wundervolle Freundin.

Letztendlich weiß ich gar nicht, ob ich den Job wirklich durchhalten würde, wenn ich zwischendurch nicht die Zeit für andere Dinge hätte. Viele Stunden lang ununterbrochen zu schreiben wie geil man gerade sei, ist auch harte harte Arbeit.

Andererseits habe ich mir für diese Stunden oft bewusst nichts vorgenommen und wenn ich schon meine Zeit reserviere, dann möchte ich dies natürlich auch bezahlt haben.

Daher überlege ich gerade, ob ich nicht in solchen Stunden parallel noch für einen anderen Anbieter arbeiten soll. Eine weitere Adresse liegt hier zumindest auf meinem Schreibtisch.

Technisch soll es noch nicht einmal das Problem sein, da ich neben meinem PC noch über ein Notebook verfüge und die Programme so nicht konkurrieren würden. Wirklich ausgeschlossen wird dies in meinem bisherigen Arbeitsvertrag auch nicht - wenngleich sicher nicht gerne gesehen.

Ich habe mir zumindest heute vorgenommen mal anzufragen, wie fest es bei denen mit der Einsatzplanung ist. Wenn ich mich einfach manchmal nebenbei einloggen kann und einfach ein paar Stunden mitschreibe bis es mir zu viel wird, dann werde ich es wohl machen.

04.12.07

Nico

Den allerallermeisten Kunden geht es vorwiegend natürlich nur um Sex. Einige eher direkt "Zeig mir deine M..." anstelle einer Begrüßung, andere nutzen die ersten SMS, um ein wenig für sich zu werben. Das Ende ist aber dennoch meist gleich.

Nico ist da anscheinend anders. Gestern Abend bekam ich ihn zum ersten Mal eingeteilt. An der History und an seiner Statistik konnte ich aber bereits erkennen, dass er ein sehr guter Stammkunde sein muss.

Er schrieb mir, dass ich ihn für den folgenden Theaterbesuch gleich abholen könne und was er anziehen solle. Ich entschied mich für einen chiquen Dreiteiler und fragte, ob er sich auch schon so auf unser erstes Date.

Großer Fehler!

"Wieso erstes Date? erinnere dich doch Schatz, wir beide waren doch letzte Woche schon schön Essen und danach im Kino!"

Ich stutzte, nehmen es da etwa einige Kolleginnen doch ernster mit der Kundenpflege? Also habe ich mal schnell die SMS der letzten Tage überflogen und konnte meinen Augen nicht trauen.

Nico hatte sämtliche Treffen mit seiner festen Partnerin (also mit mir) en detail erlebt - und zwar in seiner Phantasie.

"Jetzt holst du mich ab. ich öffne dir die Tür und führe dich zu der Limousine, die ich für uns bestellt habe".

"Im Auto sitzt du rechts, ich sitze links. Wir beide reden nicht viel, sondern sehen raus auf die Straße, wie die hellen Lichter an uns vorbeirauschen"

"Wir fahren jetzt am Theater vor. Ein Portier in roter Uniform öffnet die Tür, lässt uns beide aussteigen. Vor uns erstrahlt das Theater in hellen Farben"

"Am Eingang werden wir sogleich empfangen. Schau mal, da sind unsere Freunde Thomas und Inge. Wollen wir mit ihnen einen kleinen Drink nehmen?"

Auf diese Weise verbrachte ich den ganzen Abend mit ihm im Theater und danach noch bei einem Glas Rotwein an der anliegenden Bar.

Sexuelle Anspielungen? Gleich Null.

Wenn ich ihn wieder zugeteilt bekomme, werde ich mal schauen was passiert, wenn ich mich an ihn ranmache.

Eure Tipps?

03.12.07

Kein Blut im Hirn

Viele Kunden wünschen sich natürlich eines: Bilder.

Und genau das können wir auch bieten. Bei Bedarf kann ich aus unzähligen Fotos sämtlicher Kategorien auswählen und dem Kunden somit seinen Wunsch erfüllen. Nicht zu vergessen: Viele Kunden haben ja schon oft im Chat geschrieben und die Wünsche sind so meist bekannt.

Was mich aber wirklich von Anfang an enttäuscht ist die Qualität der Fotos. Ich hatte gar nicht erwartet, dass man für viel Geld selber Fotos hat machen lassen. Aber die Bilder, die wir dort zur Auswahl haben, sind fast ausschließlich billige von einschlägigen Seiten zusammengeklaute Pornobilder aus amerikanischen Studios mit perfekt aufgetakelten Silikon-Tussis, so dass es mir oft peinlich ist, dieses Bild zu verschicken. Das muss der Kunde doch sehen.

Tut er aber nicht.

Allein in Zimmer 116

Heute Nachmittag wird ein Mann aus NRW sich wohl sehr langweilen.

Als ich gestern Abend mich einloggte wurde mir unter andererem Ewald, dem mein Vorgänger bereits ein Date in Aussicht gestellt hatte, zugeteilt.
Wenn es bereits soweit ist, dann hat der Kunde natürlich fast immer angebissen und beantwortet sämtliche blödsinnige Zwischenfragen pflichtbewusst - er könnte es sich ja sonst mit mir verscherzen und den Sex seines Lebens verpassen.

Daher ging ich auch nicht gleich auf die Verabredung ein, sondern stellte immer wieder Fragen und erfuhr so quasi nebenbei noch eine ganze Menge aus Ewalds Leben.

Letztendlich wohnt er eine ganze Ecke vom erhofften Treffpunkt - ein Bahnhofshotel in einer belgischen Großstadt - entfernt. Nur bei ihm zu Hause ist es irgendwie schlecht mit Sex. Seine Frau könnte sich eventuell etwas wundern, wenn "ich" mit ihm im Schlafzimmer verschwände.

Und so kommt es, dass in wenigen Stunden ein Mann mit meinem Lieblingsparfum, einer roten Rose und mit ganz viel Zeit in Belgien im bereits reservierten Hotelzimmer 116 auf mich warten wird.

für den Verein

Das, was für uns SMS-Animateure zählt, ist die Rücklaufquote. Also die Anzahl an Kunden, die auf unsere Antwort wiederum zurückschreiben.

Meist ist das nicht schwer. Die Frage, ob jemand gerade auch schon so erregt sei, wird in den seltensten Fällen unbeantwortet gelassen.

Aber natürlich gibt es auch immer wieder misstrauische Kunden. Da jede SMS mit über 2 Euro zu buche schlägt, versuchen viele Männer natürlich schnell an die vermeintliche Privatnummer der Chat-Partnerin zu gelangen. Um diese Versuche auszubremsen oder im Zweifelsfall auch daran noch zu verdienen, haben wir natürlich auch einige Tricks. Bei Gelegenheit werde ich darüber sicher schreiben.

Vorhin fragte ein junger Student mal wieder, ob ich ihm meine Nummer geben möge. Ich mochte natürlich nicht und seine Antwort war, dass ich ihm dann gestohlen bleiben könne, da ich ja auch nur "für den Verein" arbeite.

Vorwurfsvoll stritt ich dies ab und er verlangte daraufhin von mir einen Beweis meiner Echtheit. Immer wieder wand ich mich raus und immer wieder versuchte er mich zu entlarven - für jeweils 2 Euro.

Das las sich dann 2 Stunden lang so:

"Melde dich nicht mehr ich hasse dich"

danach:

"dann beweis mir doch, dass du echt bist kannst du eh nicht"

danach:

"und wieso sollte ich dir das glauben?"

danach:

"lüg mich doch nicht an"


und so weiter und so fort.

Als ICH dann irgendwann Feierabend machte, hatte er über 50 Euro dafür ausgegeben, mir mitzuteilen, dass er doch ganz genau wisse, dass ich und mein Verein ihn nur abzocken wollen.

Ich gebe es zu. Hier war mein Jagdinstinkt geweckt.